Will-to-please beim Koppelgebrauchshund

Die Idee, zu dem Thema Will-to-please einen Text zu schreiben kam mir, weil ich in letzter Zeit vermehrt in ganz unterschiedlichen Kontexten im Training damit konfrontiert wurde. Als ich vor bald zwanzig Jahren mit meinen Hunden die Arbeit am Vieh begann, dachte ich, dass diese Eigenschaft genetisch verankert sei und man damit leben müsse, wie es ist. Ende der Geschichte. Dass dem nicht so ist, habe ich über die Jahre lernen dürfen.

Will-to-please. Übersetzt man es, kommt als Begriff das „Gefallenwollen“ bzw. der „Wille zu gefallen“ heraus. Ich weiß nicht, wie es den Lesern geht, aber wenn ich die Übersetzung lese, dann habe ich sofort ein Bild von einem Hund im Kopf, der quasi an den Lippen seines Besitzers hängt und ihm jeden Wunsch von den Augen abliest. Ich habe also einen Hund, der mit den Augen am Gesicht des Besitzers klebt und währenddessen erlernte Handlungen ausführt, zum Beispiel „Bei Fuß“ laufen.

Aber wir wollen beim Koppelgebrauchshund doch einen Hund, der das Vieh nicht aus den Augen lässt? Wie soll der Hund denn da Will-to-please zeigen und woran erkenne ich, dass er es tut?

Bei Hunden, die in einer Form jagdlich arbeiten, ist in der Regel daher bei dem Begriff etwas Übergeordnetes gemeint. Es geht darum, wie gut ein Hund noch auf Kommandos reagiert, während er in seiner jagdlichen Tätigkeit ist. Das heißt, dass der Hund ein instinktiv verankertes Verhalten ausübt und keinen „auftrainierten Trick“. Er soll dieses dafür natürlich nicht unterbrechen, sondern währenddessen über akustische Kommandos und situationsbedingt auch auf Sichtzeichen steuerbar sein.

Für mich bedeutet Will-to-please also, dass der Hund während einer jagdlichen Handlung bereit ist, sich durch mich steuern zu lassen.

Da Hunde in jagdlichen Handlungen immer sehr gedämpft empfänglich für derartige „Störfaktoren“ sind, ist es in der Tat notwendig, das züchterisch zu selektieren. Es darf nicht zu wenig sein, aber auch nicht zu viel, denn dann erledigt der Hund seine Arbeiten aufgrund ständiger Rückfragen eventuell nicht.

Jagdsequenzen sind selbstbelohnend

Wenn ein Hund im Jagdverhalten ist, befindet er sich in einer genetisch fixierten Handlungskette. Sie bewirkt, dass der Hund intrinsisch belohnt wird. Das heißt, dass der Hund vom Körper berauscht wird, was er natürlich als belohnend empfindet und daher mit dem Jagdverhalten weitermachen möchte. Im Jagdverhalten gibt es Sequenzen, die der Körper intensiver belohnt als andere. Generell gehören alle Jagdsequenzen, die mit den Augen stattfinden, zu denen, die recht hoch belohnt werden. Je näher sich der Hund zum Beutemachen, also der Hetzsequenz mit Packen und Töten befindet, desto höher wird die intrinsische Belohnung.

Rasseunterschiede beim Jagdverhalten

Hinzu kommt, dass durch züchterische Selektion bestimmte Sequenzen massiver körpereigen belohnt werden. Ein Beispiel: Bei Schweißhunden wird das Schnuppern der Spur mit viel mehr Hormonausschüttung belohnt als bei einer Hunderasse, die darauf selektiert ist, mit den Augen zu jagen, wie es beim Border Collie der Fall ist. Die Belohnung ist so massiv und gut, dass der Hund süchtig danach wird und es immer wieder machen möchte. Das sind spannende Fakten, aber was hat das jetzt mit Will-to-please zu tun?

Im Rausch hört man schlechter zu

Je berauschter der Hund ist, desto weniger erreichbar ist er für (unnötige) Außenreize. Er entwickelt einen Tunnelblick. Das ist für eine reale Jagd sinnvoll, denn es ist zum Beispiel für einen Wolf überlebenswichtig, sich kurz bevor er seine Nahrung erlegt, nicht von unwichtigen Sachen ablenken zu lassen. Hier ist es von Vorteil, dass es schon bei den Wölfen das gemeinschaftliche Jagen im Rudel gibt und daher genetisch eine gewisse Kooperationsbereitschaft mit den Mitjägern angelegt ist. Diese Eigenschaft hat man unter anderem beim Border Collie züchterisch stark forciert. Deshalb arbeitet dieser Hund beim Jagen „für uns“ und nicht allein. Viele Koppelgebrauchshunde kooperieren bei der Arbeit auch sofort mit anderen Hunden, egal, ob sie sie kennen oder nicht.

Immer kurz vorm Beutemachen

Aber auch beim Border Collie ist unverkennbar, dass er häufig immer schlechter erreichbar in der Steuerung für seine Menschen wird, wenn er sich der Verhaltenssequenz des Hetzens in der Kette des Jagdverhaltens nähert. Er arbeitet ja permanent in der Sequenz direkt davor – dem Fixieren bzw. Taxieren der Beute – und manchmal soll er zum Zwecke der Maßregelung des Viehs auch die Zähne dosiert einsetzen, also in Ansätzen das Erlegen der Beute zeigen. Und jeder, der seinen Hund am Vieh einsetzt, weiß, dass die Hunde in so einer Situation „schlechter“ zuhören. Das bedeutet, dass bei höherer Erregung der Will-to-please geringer wird.

Erregung kann auch andere Gründe haben

Hohe Erregung entsteht aber nicht nur durch die Nähe zur Hetzjagd. Sie kann auch durch (negativen) Stress entstehen. Allgemein gesagt kommt ein Lebewesen unter Stress, wenn die eigenen Bewältigungsstrategien keine ausreichenden Handlungsmöglichkeiten für die jeweilige Situation zur Verfügung stellen. Dabei geht es nicht darum, ob diese Strategien von außen betrachtet da sind oder nicht. Es geht allein darum, dass der Hund das Gefühl hat, sie nicht zu haben. Dadurch entsteht Stress. (Wie bei uns Menschen auch.) Und dadurch sinkt die Kooperationsbereitschaft. Nicht, weil der Hund sich bewusst dagegen entscheidet, denn oft schafft ihm das im Nachgang noch mehr Probleme, als er eh schon hat – wer braucht schon einen zornigen Besitzer, wenn man schon überfordert ist? Der Hund KANN in dieser Situation nicht zuhören. Er befindet sich (mal wieder) in einem Tunnelblick.

Junge Hunde „müssen“ oft schlechter zuhören

An dieser Stelle kann man nahtlos hinzufügen, dass das Alter des Hundes auch eine große Rolle spielt. Zum einen kommt mit zunehmendem Alter Erfahrung mit vielen Situationen hinzu, so dass der Hund immer mehr Erfahrungsschatz sammelt, also Bewältigungsstrategien lernt. Zum anderen befindet sich ein junger Hund in der Reifung seines Gehirns. Das heißt, dass dieses Organ durch den noch stattfindenden Entwicklungsprozess gar nicht in der Lage ist, so viele Kapazitäten für neue Situationen zur Verfügung zu stellen, wie es ein älterer Hund kann. Man könnte sagen, der „Arbeitsspeicher“ ist schneller überlastet. Das führt zwangsläufig dazu, dass der Hund „zu“ machen muss, wenn die Anforderungen diese Kapazitäten übersteigen. Das ist eine Schutzreaktion des Gehirns, denn es würde im wahrsten Sinne überhitzen. Daher sind sehr eifrige junge Hunde am Vieh zunächst kaum steuerbar. Meiner Erfahrung nach wird das mit dem Erwachsenwerden zunehmend besser und aus einem zunächst „supersturem“ Hund kann einer mit sehr guter Lenkbarkeit werden. Wichtig ist es allerdings, in dieser Phase nicht noch für zusätzlichen massiven Stress zu sorgen. Denn, auch, wenn die jungen Hunde wenig Arbeitsspeicher zur Verfügung haben, machen sie ihre ersten Verknüpfungen mit der Situation, die sehr nachhaltig verankert werden. Erleben sie unter dem hohen Stress dann noch einen Menschen, der zusätzlich nicht zu bewältigende Anforderungen stellt und diese womöglich versucht massiv durchzusetzen, bleibt der Mensch lebenslang ein großer Stressfaktor. Und Stress vermindert die Fähigkeit zur Kooperation in der Arbeit.

Die Brauchbarkeit des „Mitjägers“

An dieser Stelle sei zudem erwähnt, dass für den Jäger Hund das Verhalten, das sein Mensch gegenüber den Schafen zeigt, auch einen großen Einfluss darauf hat, wie angespannt der Hund die Situation empfindet. Die Motivation des Hundes ist es ja, die Kontrolle über die Beute, also das Vieh, zu bekommen und zu halten. Da ein junger Hund nicht über ausreichend Erfahrung verfügt, das mal eben locker flockig aus dem Ärmel zu schütteln, ist sein Mensch gefragt. Hilft er mit, die Kontrolle übers Vieh zu behalten, beruhigt das den Hund. Damit wird klar, dass beide dasselbe Ziel verfolgen. Der Hund kann also besser „zuhören“, weil durch die Hilfe Kapazitäten im Kopf des Hundes frei werden.

Wissen, worum es geht

Und, wo wir uns gerade bei der direkten Arbeit mit dem Vieh befinden, möchte ich noch einen Faktor erwähnen, der meiner Erfahrung nach eine große Rolle beim Will-to-please spielt: Es fällt Hunden leichter entspannter zu sein, wenn sie den Arbeitsauftrag kennen. Heißt, wenn der Hund gelernt hat, wo das Endziel in dem Großen und Ganzen ist, kann er gelassener agieren, was die Steuerbarkeit durch den Menschen erhöht. Ein Beispiel: Wenn der Hund beim Losschicken anhand der Kommandos gelernt hat und erkennen kann, dass das Endziel ist, die Schafe zu seinem Menschen zu bringen und vor ihm zu parken, dann bringt das Ruhe in den Job.

Beeinflusst der Alltag die Lenkbarkeit am Vieh?

An dieser Stelle möchte ich mal einen Bruch machen und weg vom Vieh, in einen ganz anderen Bereich gehen. Ich hatte am Anfang ja gesagt, dass ich früher glaubte, man könne Will-to-please bei der Arbeit am Vieh nicht beeinflussen. Das glaubte ich auch im Bereich der Alltagserziehung. Ich dachte tatsächlich, es ist so ziemlich egal wie, der Mensch mit seinem Hund die Zeit im alltäglichen Miteinander verbringt, bevor es an Vieh geht. Das Ganze wurde sicher auch dadurch befeuert, dass mich die Besitzer immer vorher fragten, was sie denn schon vorbereitend für die Ausbildung am Vieh üben könnten, und mir nichts außer ein Rückruf einfiel. Auch an diesem Punkt überprüfte ich über die Jahre, ob ich damit immer noch richtig liege.

Und es zeigte sich nach einigen Jahren ein für mich doch recht eindeutiges Bild: Es spielt sogar eine große Rolle, wie der Alltag bzw. die Alltagserziehung läuft. Denn hier macht der Hund ja maßgebliche Erfahrungen im Bezug auf Trainingstechniken und Trainingsgeschick seines Menschen. Hierbei spielt es zum Beispiel eine große Rolle, wie gut strukturiert und verständlich der Mensch Trainingsschritte gestaltet. Daran hängt ja letztendlich, ob der Hund seinen Menschen schnell und gut versteht oder nicht. Und diese Erfahrung nimmt der Hund mit in die Arbeit am Vieh. Das heißt, dass ein Hund, der gelernt hat, dass er seinen Menschen im Alltag schon schlecht versteht, diese Erwartung auch (bei den ersten Schritten) am Vieh hat. Das macht Stress und der Hund kann dadurch weniger kooperativ wirken.

Training über Belohnung

Im Alltagstraining spielt es eine Rolle, womit der Mensch wie arbeitet. Man kann Belohnung und Strafe einsetzen. Schauen wir uns mal die Belohnung an: Den meisten fällt jetzt vermutlich ein, dass man dem Hund Futter gibt. Aber es gibt ja noch weit mehr Belohnungsformen. Vor allem im Alltag ergeben sich viele durch die Situation von selbst. Ob ich als Mensch das möchte oder nicht. Damit meine ich Belohnungen, die situationsbedingt vorhanden sind und die oft leider nicht bewusst genutzt werden, sondern oft sogar noch fördern, dass der Hund sich gedanklich beim Besitzer ausklinkt. Ein Beispiel: Wenn mein junger Hund beim Anblick anderer Hunde an Spielen denkt und ich ihn ableine, damit er mit ihnen spielen kann, dann belohne ich das Verhalten, das er beim Ableinen und kurz zuvor gezeigt hat, mit der maximal besten Belohnung in der Situation, die der Hund bekommen kann. Er wird sich also sehr genau merken, was er vorher gemacht hat. Wartet er an lockerer Leine, wäre das ja ein gutes Verhalten. Alles topp. Oder?
Oft sieht man allerdings Hunde, die mit dem Blick schon am Artgenossen hängen, sich eventuell noch ein Sitz abringen und, falls gefordert, noch mal pseudomäßig kurz ihren Menschen anschauen, bevor das Abklicken der Leine kommt und der Hund auf und davon ist. Nutze ich ausschließlich das Ableinen als Belohnung, fördere ich damit eine Erwartungshaltung – die einzig verfügbare Belohnung in diesem Augenblick muss der Hund sich im äußeren Umfeld holen. Der Mensch ist eigentlich nur das nervige Hindernis am Ende der Leine.

Beginne ich aber, für diese Situation ein alternatives Verhalten wie zum Beispiel das Sitzen in Richtung des Menschen aufzutrainieren, für das der Hund zum Beispiel Futter als Belohnung bekommt, ist das Ableinen zwar noch immer eine große Belohnung, aber nicht die einzige. Damit verändere ich die Erwartungshaltung und bekomme einen Hund, der sich mir gegenüber in dieser Situation immer kooperativer zeigt, denn die Belohnung kommt ja vom Menschen und nicht vom Umfeld.

Jetzt werden viele sagen: „In dieser Situation nimmt meiner keine Leckerchen!“ Richtig. Das liegt an der Erregungslage. Die, wie wir ja wissen, auch die Bereitschaft zur Mitarbeit beeinflusst. Heißt: Wenn ich so etwas üben möchte, trainiere ich das Verhalten im Vorfeld zunächst ohne Ablenkung, dann an weniger spannenden Reizen, und bringe es mit Ruhe in diese Situation, so dass der Hund runterfahren kann. Das ist etwas, was ich zum Beispiel am Vieh auch brauche. (Wenn mein Hund in den Freilauf möchte, um andere Hunde anzuhüten, sollte ich im Übrigen diese Kontakte vorerst komplett streichen und trainieren, dass mein Hund ruhig und im sozialen Kontext, nicht im jagdlichen, in die Situation geht.)

Soziale Zuwendung als Belohnung

Es muss noch eine wichtige Belohnungsform für diesen Hundetyp erwähnt werden: Die hohe Affinität, den sozialen Kontakt, also die Zuwendung durch den Besitzer haben zu wollen. Diese Eigenschaft hat einen hohen belohnenden Faktor und ist ebenfalls genetisch verankert! Dabei geht es nicht darum, den Hund anzufassen (das ist für viele Hunde im Kontext von Training und draußen eher eine Strafe), sondern ihm Aufmerksamkeit zu schenken, ihn in der eigenen körperlichen Nähe zu lassen oder ihn anzuschauen. Wie stark belohnend welcher Aspekt davon ist, ist individuell, hat aber für jeden Koppelgebrauchshund einen Belohnungswert. Das ist doch toll, oder?

Generell ja, denn durch diese Eigenschaft wird die Kooperationsbereitschaft gefördert. Der Hund wendet sich aufgrund der Belohnungserwartung seinem Menschen mehr zu. Er geht in die Kommunikation, denn das ist für den sozialen Kontakt unerlässlich. Es gehört zusammen. Doch diese Belohnungsvariante „schleppe“ ich als Mensch ja den ganzen Tag mit mir herum, sobald ich mit meinem Hund zusammen bin. Sie ist immer da und ich bewege mich mit meinem Hund in einem ständigen Wechsel von belohnen und Belohnung vorenthalten, indem ich den Sozialkontakt zulasse oder entziehe. Und das passiert einfach, während man zusammen lebt. Oft ganz unbewusst. Und genau das kann zu Verknüpfungen beim Hund führen, die ich vielleicht so gar nicht haben möchte.

Wenn das Gefallenwollen zu viel ist

Es ging in diesem Text bisher immer um den Punkt, was zu einer Verringerung des Will-to-please führt, so dass der Hund (zu) eigenständig agiert. An dieser Stelle passt es sehr gut, auch mal die Gegenseite zu betrachten, nämlich, wenn das „Nachfragen“ durch den Hund beim Besitzer so viel ist, dass es die Arbeit am Vieh stört, weil eben die soziale Zuwendung einen hohen Stellenwert für diesen Hund hat. Diese Hunde wirken dann uneigenständig: Sie agieren selbst wenig und warten immer wieder auf Ansprache. Der Hund „traut“ sich scheinbar nicht. Ist das zusätzlich daran gekoppelt, dass der Hund eher introvertiert ist, „verschlimmert“ sich der Effekt zusätzlich.

Der Einsatz von Strafe

Neben Belohnung arbeitet man natürlich auch mit Strafe. Die Erfahrungen, die der Hund mit Strafe macht, können auch Einfluss auf seinen Willen zur Kooperation haben. Strafen, die willkürlich und aus Wut erfolgen, sind in der Regel für den Hund nicht nachvollziehbar und werden bei Verhalten platziert, das für den Hund moralisch in keinster Weise verwerflich ist. Die Eskalation des Besitzers ist für den Hund also nicht nachvollziehbar. Das kann einen Hund erzeugen, der bei Wut seines Besitzers in Demutsverhalten und Beschwichtigung verfällt, was bei vielen Hundebesitzern nach wie vor den Schluss impliziert, dass der Hund genau verstanden hätte worum es ginge, und er beim nächsten Mal ein anderes Verhalten zeigen würde. Damit sind wir direkt am nächsten Punkt: Der Hund muss bei Strafmaßnahmen das eigentlich gewünschte Verhalten überhaupt erstmal gelernt haben, sonst kann er es nicht anbieten. Und genau das sieht man immer wieder, vor allem bei der Arbeit am Vieh: Hunde, die gemaßregelt werden, daraufhin immer weniger steuerbar werden und den Stress in Aktion umsetzen wie exzessivem Rennen, Beißen der Schafe, riesengroße Bögen laufen und so weiter. Dafür bekommen sie noch mehr Strafe, die Kette setzt sich fort und am Ende steht die Diagnose: Zu wenig Will-to-please. Dabei erkennt man den gar nicht, weil der Hund ein so hohes Stresslevel hat, dass er überdeckt wird. Es gibt beim Thema „unbegreifliche Strafmaßnahmen“ auch die Hunde, die scheinbar zu viel Will-to-please haben: Diejenigen, die zusammenklappen und nichts mehr tun oder sogar weglaufen und sich verstecken. Die Lernhistorie dieser Hunde führt oft dazu, dass sie auf immer frühere Anzeichen von Strafmaßnahmen den Rückzug antreten.

Für den Hund leistbare Trainingsschritte

Wenn das Training unstrukturiert aufgebaut wird, die Trainingsschritte für den Hund nicht erkennbar oder noch gar nicht zu leisten sind, kann es sein, dass der Hund weniger kooperativ ist und in Übersprungs- und Stressverhalten kippt. Ich erlebe recht häufig, dass die Menschen einen oder mehrere Schritte im Trainingsaufbau überspringen, weil sie denken, der Hund würde das schon verstehen, oder ihnen gar nicht klar ist, dass es dazwischen noch Schritte benötigt.

Gesundheitliche Aspekte

Etwas, was ich ebenfalls als eigene Erfahrung verbuche im Bezug auf Will-to-please, ist der Einfluss von Krankheiten und Schmerzen. Meine erste Border-Collie-Hündin kam aus dem Tierschutz. Leider hatte sie wohl schon recht früh massive Probleme mit dem Rücken, was ich nicht erkannt habe. Sie war manchmal sehr führig und manchmal extrem stur. Ich dachte, sie sei halt „launisch“. Mir tut es heute noch sehr weh, wenn ich daran denke, wie bemüht diese Hündin war, ihre Arbeit zu verrichten, obwohl es ihr sehr schlecht gegangen sein musste. Auch mein Nian hat mich gelehrt, dass gesundheitliche Probleme einen großen Einfluss auf die Steuerbarkeit des Hundes haben. Er hat durch einen Unfall einen Parathormonmangel entwickelt. Der macht keine Schmerzen. Das Hormon beeinflusst den Kalziumspiegel im Blut. Selbst wenn der Spiegel im Blutbild noch im Referenzbereich liegt, dort aber am Rand, merke ich eine Veränderung seines Verhaltens bei der Arbeit. Er wird ungehorsamer.

Schlussfolgerung

Insgesamt kann man sagen, dass man mehr als einmal hinschauen sollte, wenn ein Hund sich als schlecht steuerbar zeigt oder viel zu sensibel ist. Das Urteil, dass der Will-to-please genetisch nicht ausreichend oder zu viel angelegt sei, sollte man nicht vorschnell fällen. In meiner praktischen Erfahrung über all die Jahre, die ich als Trainerin tätig bin, kann ich sagen, dass das Justieren der oben genannten Zahnrädchen dazu führten, ein gesundes Mittelmaß der Lenkbarkeit zu erreichen.