Hypoparathyreoidismus (Nebenschilddrüsenunterfunktion) beim Hund – Erfahrungen mit meinem Border Collie Nian

Ich möchte gerne meine Erfahrungen mit dieser seltenen Erkrankung aufschreiben. In der Hoffnung, dass der ein oder andere, falls es seinen Hund betrifft – was ich niemandem wünsche! – schneller auf die richtige Spur kommt.

Die erste Frage, die kommt, wenn ich davon erzähle, ist: Woran hast Du bemerkt, dass Nian das hat? Genau das ist der schwierigste Punkt. Die Symptomatik ist nicht eindeutig. Bei Recherchen im Internet wird beschrieben, dass der Hund Hecheln zeigt, Nervosität und Muskelzuckungen hat, steif läuft, sich das Gesicht reibt, Krampfanfälle bekommt und Hypertermie zeigt, also der Körper überwärmt. Weitere mögliche Symptome können Haarausfall, trockene und spröde Haut, Verdauungsstörungen und grauer Star sein.

Im Nachhinein muss ich sagen, dass wir viele dieser Symptome hatten. Aber sie kamen so bunt gewürfelt und nur sporadisch über gut zweieinhalb Jahre, dass der Zusammenhang kaum herstellbar war. Schon gar nicht, wenn weder ein Tierarzt, noch man selbst diese Erkrankung auf dem Schirm hat.

Im März 2015 passierte ein Unfall, der vermutlich der Anstoß für das Alles war. Nian rannte im Halbdunkeln ungebremst über ein Viehgitter. Ein solches Gitter soll Weidetiere auf einer Fläche halten. Der Abstand der Metallstäbe ist also so gewählt, dass die Tiere keinen Halt finden können. Für einen Hund sind sie so breit, dass er locker mit den Pfoten dazwischen rutscht. Nian dachte wohl, genauso wie ich auch, dass das ein normaler Gitterrost wäre. Ich sah ihn rennen, als nächstes einen Überschlag machen und auf der anderen Seite auf den Teer knallen. Mein Herz blieb stehen. Doch er stand auf und lief danach normal weiter. Es stellte sich leider am nächsten Tag raus, dass es doch nicht so ohne Folgen war. Er hatte Schmerzen im Nacken und im linken Schulterbereich. Es folgte eine Behandlung, die auch gut anschlug.

Nach einem halben Jahr war alles gut. Er lief wie immer und konnte auch an den Schafen wieder normal eingesetzt werden. Doch es dauerte nicht lange, da fingen „komische“ Probleme an. Er bekam häufig Krämpfe in der Rückenmuskulatur, nach verschieden langer Arbeit an den Schafen. Also mal recht schnell, dann wieder konnte er sehr lange arbeiten. Manchmal bekam er diese Krämpfe auch beim Gassi direkt nach der Arbeit. Manchmal hatte er auch so ein leichtes Kopfticken. Hier ein Video, das ich während des Gassis für meine Tierärztin gemacht habe (Das Kopfticken ist bei 1:08 zu sehen.):

Massage der Rückenmuskulatur durch mich, Schonen und der Besuch bei einer Fachtierärztin brachten schnell Abhilfe. Er hatte hin und wieder kleine Blockaden in der Wirbelsäule und manchmal etwas verspannte Muskeln. Nichts Weltbewegendes, was sich immer schnell mit Akupunktur und manueller Therapie behandeln ließ.

An den Schafen fiel auf, dass er immer häufiger stolperte (irgendwann bekam er den Spitznamen „Bruchpilot“) und manchmal die Flanken um die Schafe nicht „frei“ lief. Wir vermuteten, dass es die Erinnerungen an die Schmerzen durch den Unfall waren und er deshalb so klemmig war, denn immer, wenn ich dann bei der Fachtierärztin stand, war kaum etwas zu finden und er zeigte auch keine großartigen Anzeichen für sehr schmerzhafte Geschichten. Was auffällig war: Die Abstände, zwischen den Behandlungen, die ja immer gut anschlugen, wurden kürzer. Irgendwann beschloss ich zusammen mit meiner Tierärztin, dass er mal eine längere Pause an den Schafen bekommen sollte, sowie viel anderes Gutes für den Körper und den Bewegungsapparat, weil wir vermuteten, dass er wegen seiner sehr stylishen Arbeitshaltung immer so verkrampft war … man merkt, wir wurden langsam etwas verzweifelter. Außerdem bekam er jetzt in regelmäßigen Abständen Termine bei dieser Tierärztin, um es abzufangen, falls sich was anbahnte. Er wurde als physiotherapeutisch engmaschig betreut. In dieser Pause war alles gut.

Ich nahm ihn langsam wieder an die Schafe und alles war super. Bis ich das Arbeitpensum steigerte. Wir sind jetzt zeitlich ungefähr zwei bis drei Jahre nach dem Unfall. Irgendwann war es so, dass er auch im Alltag beim Rad fahren oder normalen Gassi kurz Ausfälle bekam. Es waren kleine Dinge. Er lief nicht ganz taktrein und nahm manchmal ein Bein unnötig hoch für nur ein bis zwei Schritte. Man musste schon genau hinsehen, um das mitzubekommen. Alle paar Wochen bekam er Krämpfe im Rücken über dem Schulterbereich, so dass er sich hinlegte, Pause machte, um kurz danach wieder krampffrei weiterzulaufen. Ich filmte übrigens alles, was ich einfangen konnte für meine Tierärzte. Hier ist ein Video davon zu sehen, als beim Gassi die Vorderbeine „versagten“ und nach einer Pause wieder funktionierten:

Vom Wesen her hatte er sich ebenfalls etwas verändert. Er war früher immer ein sehr alberner, fröhlicher Hund. Nun hatte ich immer mehr das Gefühl, dass er ab und an mal einen Joint rauchen sollte, um wieder gelassener zu werden. Ich empfand ihn auch mental als zunehmend verkrampfter. Viele Tierärzte, die ich involvierte, waren genauso ratlos wie ich. Also wurden diverse Gentests auf alle möglichen Erkrankungen gemacht, die auch nur ansatzweise eine solche Symptomatik verursachen könnten. Es wurden Blutbilder gemacht und der ganze Hunde wurde noch mal geröntgt. (Nian wurde im Alter von 18 Monaten für die Zucht auf HD, ED und OCD geröntgt. Da war alles tipptopp.) Der Anaplasmose-Titer zeigte sich zwischendurch erhöht, fiel aber wieder. Alle anderen Blutwerte waren immer in Ordnung. Der heiße Sommer 2018 kam und es gab an den Schafen einiges zu tun. Damit Nian fit genug war, machten wir auch neben den Schafen viel für die Ausdauer.
Hier zwei Videos wie er am Rad läuft:


Es ging Nian zwischendurch immer wieder gut, also nahm ich ihn dann auch ganz normal zur Arbeit an den Schafen mit. Oft hatte ich zwei Hunde dabei – häufig auch seine Mutter Cooma, die ja vier Jahre älter ist als er. Die hatte mit dem zu leistenden Pensum keine Probleme, während ihr Sohn an manchen Tagen nach einiger Zeit schlapp machte. Der eierte herum, konnte seine Füße oft nicht mehr richtig voreinander setzen, bekam Krämpfe im Rücken und musste sich dringend viel kühlen. Hier ein Video, das gegen Ende des Umtriebs entstanden ist:

Kam es zu diesem Zustand und er lag für einige Minuten im Wasser, lief er danach wieder völlig normal weiter, als wäre nichts gewesen.

Im September 2018 eskalierte dann alles, nachdem er sich bei der Deutschen Meisterschaft noch einen Finalplatz sicherte. Diesen ließ ich ihn aber nicht antreten, weil er am Tag zuvor kurzzeitig „eiernd“ vom Feld kam. Wir wurden teilweise gefilmt. Generell fällt im Nachhinein auf, dass er insgesamt seltsam lief. Bei Minute 0:50 sieht man, dass er mit dem Hinterbein ausschlägt. Ich konnte das aufgrund der Distanz nicht erkennen und habe es erst danach auf dem Video gesehen. Kurz vorher läuft er auch deutlich unkoordinierter mit den Hinterbeinen. Im letzten Abschnitt kann man erkennen, dass er den Kopf in den Nacken reißt und die Lefzen ähnlich wie beim „Teufelsgrinsen“ bei Tetanus extrem nach hinten gezogen sind. Insgesamt ist das ganze Gesicht verkrampft. Und er „paddelt“ beim Laufen. Weil ich das gesehen hatte, habe ich ihn auch herausgenommen und schnell ins Auto gebracht. Nach einer kurzen Pause mit Kühlung lief er wieder normal.

Wir fanden uns einige Tage später abends in der Notaufnahme der Tierklinik, weil Nian beim Abendgassi in einen Krampf verfiel, der nicht enden wollte. Zunächst versagten langsam die Hinterbeine, dann die Vorderbeine. Er versuchte sich permanent zu wälzen und rutschte dabei in einen Graben. Er war die ganze Zeit voll ansprechbar. Ich zog ihn aus dem Graben und er kroch verzweifelt in mich hinein. Seine Augen schrien nach Hilfe. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Er hatte ein Tetanusgesicht. Als ich mit ihm auf dem Arm in die Klinik rannte, sagte die Tierärztin sofort: Das ist Tetanus. Er krampfte mittlerweile so stark, dass sie sich nicht sicher war, ob er überleben würde. Er hatte auch hohes Fieber, so dass er mit Kühlakkus vollgelegt wurde. Es folgte eine Horrornacht, bei der ich betete, dass kein Anruf kommen würde, denn das würde bedeuten, dass es ihm noch schlechter ginge. Der Anruf kam zum Glück nicht. Erst am nächsten Morgen zur Visite, wie abgesprochen. Und es gab Erfreuliches zu berichten: Es ging ihm viel, viel besser. Für Tetanus sprach, dass er sich vor ein paar Wochen eine Wunde zugezogen hatte. Dagegen sprach, dass er sich für diese Erkrankung „viel zu schnell“ von diesem üblen Zustand erholte. Aber was sollte es sonst sein? Also blieben wir weiterhin bei der Behandlung für Tetanus. Er bekam Zuhause viel Ruhe, keine Spaziergänge und stand unter Daueraufsicht. Es ging ihm zunehmend besser. Dann begannen vorsichtig die ersten Gassigänge. Ganz kurz. Alles gut. Etwas länger, der Hund schwankte und lief wie ein Kamel. Okay. Also zurückschrauben. Waren wohl Nachwirkungen vom Tetanus.

Als er akut in der Klinik war, wurde auch ein Blutbild gemacht:

Dass bei einem Hund, der beinahe an einem Krampfanfall gestorben wäre das Blutbild nicht top aussehen würde, war zu erwarten. Aber leider kam immer noch keiner auf die eigentliche Ursache, obwohl es im Nachhinein deutlich zu sehen war.

Zur Nachkontrolle machte ich (obwohl die Klinik das nicht für notwendig befand) nach etwa vier Wochen einen Termin bei meiner Haustierärztin. Dort fiel zum ersten Mal etwas auf, was uns vorher nicht aufgefallen war. Und das nur, weil diese Werte gerade noch aus der Norm gerutscht waren: Der Kalziumspiegel lag leicht unter dem Referenzbereich und der Phosphorwert gerade so drüber. Meine Tierärztin hatte zuerst das Futter in Verdacht. Aber das fiel nach kurzer Unsicherheit als „Verursacher“ raus. Komisch. Wir kramten die alten Blutwerte raus. Da war immer alles hübsch im Normbereich. Aber der Kalziumwert war immer im unteren Referenzbereich und der Phosphorwert im oberen. Bei allen Blutbildern. Das war komisch. Wir kämpften uns differentialdiagnostisch durch. Urin, Bauchspeicheldrüse … was da alles eine Rolle spielen kann. Alle Werte in Ordnung. In der Zeit fütterte ich Nian trotzdem zusätzlich zum eigentlich gut gedecktem Bedarf gut verfügbares Kalzium zu, erst mal nur, um das abzufangen was das Blut sagte. Natürlich wurde er noch geschont, aber es ging ihm eigentlich augenscheinlich gut. Meine Tierärztin war schon drauf und dran es gut sein zu lassen, aber ich nicht. Ich hatte das Gefühl, dass ich suchen musste bis ich endlich die wirkliche Ursache für das jahrelange Drama finden konnte. Und ich sollte Recht behalten. Ich recherchierte vor allem im Humanbereich zu den Verschiebungen bei den Blutwerten und stieß (zeitgleich mit meiner Tierärztin, der das dann doch auch keine Ruhe ließ) auf die Nebenschilddrüse. Eigentlich fehlten da ja noch Symptome … Probleme mit dem Verdauungstrakt. Nö. Das hatten wir nicht. Nur, wenn es zu aufregend war, wie bei der Ankunft im Urlaub, dann hatte er mal kurz für einen Tag Durchfall. Das kam so drei Mal im Jahr vor. Aber er ist ja auch mental immer so verkrampft … Dass diese Dinge alle zusammenhängen würden – wer ahnt so was schon!
Zunächst kontrollierten wir das ionisierte Calcium im Blut, das den ersten wichtigen Hinweis gab. Es war zu niedrig. Dann die Untersuchung auf das Parathormon selbst. Es kam das Ergebnis: Er bildet kein Parathormon (mehr?). Die Behandlung auf diese Erkrankung begann und alle Symptome sind seitdem wie weggeblasen. (Diesen Satz schreibe ich im Januar 2022.) Schritt für Schritt wurde die Behandlung optimiert und ich nahm ihn langsam wieder in die Arbeit. Da es kaum Erfahrungen mit dieser Erkrankung beim Hund gibt, konnte mir keiner sagen, ob ich ihn wieder normal belasten könnte. Ich tastete mich also vorsichtig heran. Und ich hatte den Eindruck, dass Nian die Arbeit am Schaf jetzt noch mehr liebte, weil sein Körper ihm wieder gehorchte. Er stolperte nicht mehr, er war normal belastbar, er war mental gut drauf – auch im Alltag war er wieder mein lustiger, kleiner Clown von früher. Ich bin so froh!

Übrigens musste ich mich in all der Zeit immer wieder gegen Tierärzte durchsetzen, die recht schnell „in einer Schiene“ dachten. Vor allem, als es ums Krampfgeschehen ging – ist so etwas der Fall und man sagt: „Es ist ein Border Collie.“ … ja, was denkt ihr, was da ganz schnell die Diagnose ist? Klar. Das MUSS ja primäre Epilepsie sein. Jetzt habe ich das zweifelhafte Glück, dass ich tatsächlich schon Erfahrung mit primärer Epilepsie habe. Meine erste Hündin aus dem Tierheim hatte diese Krankheit. Und ich beherbergte schon mal einen Pflege-Border Collie, der juvenile Epilepsie hatte. Daher war mir klar, dass das bei Nian was anderes sein musste, weil eine Indikatoren anders waren.

Übrigens war er immer weitestgehend frei von Symptomen, wenn er gar keine oder keine längeren Arbeiten an den Schafen gemacht hatte. Ich grübele darüber, ob ich, wenn er kein Arbeitshund wäre und gar nicht an diese Leistungsspitzen gehen müsste und würde, überhaupt jemals gemerkt hätte, dass etwas ganz Grundlegendes nicht stimmt? Sein Körper hätte es die ganze Zeit „kompensiert“, so weit möglich und er wäre wohl recht früh gestorben. An irgendwas undefinierbarem. Vielleicht Krämpfen. Oder kaputten Organen. Oder gebrochenen Knochen? Ich weiß es nicht.

Warum ist seine Nebenschilddrüse ausgefallen? Ich vermute, dass er bei dem Unfall damals einen Schlag auf den Hals bekommen hatte und das zum Ausfall führte, denn danach fing das Alles schleichend an. Im Humanbereich wird immer wieder beschrieben, dass es vor allem durch mechanische Einwirkungen zum Ausfall kommt.

Nun kommt an dieser Stelle immer die berechtigte Frage: Wie findet man denn heraus, ob bei dem Hund die Nebenschilddrüse ausgefallen ist? Ich schreibe Euch das jetzt als Laie auf – ich habe keine Ausbildung im tiermedizinischen Bereich! Besteht der Verdacht, bitte einen Tierarzt aufsuchen!

Der direkte Weg ist es, zu testen, ob Parathormon im Blut ist. Aber dieser Test ist recht kompliziert (das Blut muss gefroren im Labor ankommen und meines Wissens gibt es in Deutschland ein einziges Labor, wo man das brauchbar machen kann). Außerdem kann ein zu geringer Spiegel auch andere Ursachen haben. Es gibt leichter zu bestimmende Blutwerte, die den ersten Hinweis liefern könnten. Wie oben im Text bereits geschrieben, hat man eine Verschiebung im normalen Blutbild, so dass der Kalziumwert im unteren Bereich ist und der Phosphorwert im oberen. Aber Achtung! Diese beiden Werte befinden sich evtl. innerhalb der Referenzbereiche und sind daher „nicht auffällig“ – das ist die Krux. Natürlich kann der Hund auch „einfach so“ gerade diese Verschiebung haben. Daher braucht man noch andere Werte, um der Sache auf die Spur zu kommen. Das ionisierte Kalzium sollte ebenfalls bestimmt werden. Ist es zu niedrig, kann das ein starker Hinweis auf den Ausfall der Nebenschilddrüse sein. Da auch noch andere Faktoren das Parathormon im Blut regeln, benötigt man außerdem die Werte Magnesium und Vitamin D.

Nun ist einige Zeit vergangen. Konkret: Es ist jetzt fünfzehn Monate her (also Februar 2020) seit ich weiß was Nian fehlt und seit er behandelt wird. Die passende Dosierung der Medikamente gleicht ab und an einer Achterbahnfahrt. Die Regelmäßigen Blutkontrollen sind ein alltäglicher Begleiter geworden. Mal müssen wir alle zwei Wochen nachschauen, manchmal wage ich es auch vier bis fünf Wochen verstreichen zu lassen. Denn mittlerweile habe ich ein gutes Bauchgefühl entwickelt, wann es Zeit ist wieder zu schauen. Ich weiß noch nicht genau wie die Schwankungen zustande kommen, hoffe aber darauf, dass es irgendwann „ruhiger“ wird. Aber selbst, wenn nicht: Die Symptome, die ich oben beschrieben habe, sind alle weg. Er ist seither nie wieder gestolpert oder gar hingefallen, er hat auch bei Aufregung keinen Durchfall, er ist insgesamt viel fröhlicher und unbeschwerter geworden. Außerdem hat er zugenommen, was in seinem Fall positiv ist, denn er war immer sehr rippig. Sein Fell ist auch noch mal gewachsen und dichter geworden. Auch an den Schafen setze ich ihn jetzt wieder voll ein.

Auch im Januar 2022 kann ich diese Worte unterschreiben. Leider schwanken die Blutwerte nach wie vor und das ständige Blutabnehmen ist unser Begleiter geworden. Nian ist aber voll leistungsfähig an den Schafen und im Alltag albern und lustig wie ein Junghund. So war er vor dem Ausbruch seiner Erkrankung und so ist er jetzt mit neun Jahren seit Beginn der Behandlung. Ein Quatschkopf. Und das soll er noch möglichst lange bleiben.

Was seit Beginn der Behandlung übrigens im Griff ist bzw. mittlerweile ein Anzeiger geworden ist, wenn die Blutwerte nicht optimal sind: Liegeschwielen. Bevor er die passenden Medikamente bekam, hatte er immer großer werdende Liegschwielen, die sich auch entzündeten. Die sind mit korrekter Einstellung der Medikamente weg.

Und noch etwas, was in der Zwischenzeit zufällig als Folge der Erkrankung zu Tage kam: Durch eine Verletzung an der Hornhaut des Auges, die bei der Arbeit an den Schafen auf sehr busch- und dornenreichem Gelände passiert sein muss, wurde etwas sichtbar, was die Augenspezialistin erst Mal nicht einordnen konnte: Er hat in beiden Augen Trübungen in der Linse. Sie sagte bei der Untersuchung, dass so etwas erst bei älteren Hunden vorkommt und nicht zu seinem Alter passen würde. Das wäre komisch. Als ich anmerkte, dass er einen Nebenschilddrüsenunterfunktion hat, versprach sie sich schlau zu machen und es war tatsächlich so: Diese Trübungen kommen von dieser Erkrankung. Da er jetzt behandelt wird, würden sie sich nicht verschlimmern und sie schränkten ihn derzeit in seinem Sehvermögen nicht ein. Warum ich das hier schreibe? Ich kann mir vorstellen, dass bei dem ein oder anderen Hund in einem ungewöhnlichen Alter auch solche Trübungen gefunden werden und man über den Umkehrschluss evtl. eine Nebenschilddrüsenunterfunktion auf diese Art diagnostizieren kann. Natürlich kann so etwas auch andere Gründe haben, aber diese Ursache ist so selten, dass sie sicher auch den Spezialisten nicht als erstes in den Sinn kommt. Ich vertrete ja die Meinung, dass man lieber einmal zu viel als zu wenig nachguckt …

Und so sieht das in Bildern aus:

Linkes Auge

Rechtes Auge

Als bei Nians Schwester im Dezember 2021 die Augenuntersuchung für die Zuchtzulassung anstand, hatte ich ihn ebenfalls beim Spezialisten noch einmal untersuchen lassen. Nian war zu diesem Zeitpunkt neun Jahre alt. Zum Glück hatten sich die Einschlüsse nicht verändert, denn natürlich hatte ich Angst, dass er doch frühzeitig erblinden könnte und dadurch die geliebte Arbeit an den Schafen nicht mehr machen zu können.

In der Literatur findet man unter Hypoparathyreoidismus folgende Angaben:

Die Unterfunktion der Nebenschilddrüse wird am häufigsten iatrogen ausgelöst nach Resektion der Schilddrüse oder Nebenschilddrüsen. Folge ist eine Hypokalzämie, die das klinische Bild bestimmt. Typische Symptome sind eine Tetanie, kardiale Reizleitungsstörungen, sowie Organschäden aufgrund einer Hyperphosphatämie mit u.a. paradoxen Verkalkungen der Augenlinse. (Georg Thieme Verlag KG, 2024)

Aus einer anderen Quelle der Humanmedizin:

  • Missempfindungen (Parästhesien) wie Taubheit, Kribbeln, Ameisenlaufen im Bereich der Hände und Füße sowie im Bereich des Mundes
  • Muskelkrämpfe in den Beinen, vor allem nachts
  • Muskel­, Knochen oder Gelenkschmerzen
  • Rasche Ermüdbarkeit, Schlafstörungen, innere Unruhe, Ängstlichkeit, Depression
  • Konzentrationsschwäche, Vergesslichkeit
  • Trockene raue Haut, spärliches Haar, brüchige Nägel
  • Häufige Infekte
  • Bildung eines grauen Stars (Katarakt)
  • Bei ausgeprägtem Kalziummangel können auch Herzrhythmusstörungen, eine Herzschwäche, Bauchkrämpfe oder Luftnot auftreten
    (Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie e.V, 2021)

Im Nachhinein fügt sich das Bild zusammen, das scheinbar nicht zusammengehört. Nian hatte Hautprobleme, die sich durch spärlicheres Fellwachstum zeigte. Da er allerdings immer noch recht langes Fell hatte, fiel das nicht auf. Erst im Nachhinein unter der Behandlung, als sein Fell wieder mehr und länger wurde, konnte man den Unterschied im Vergleich zu vorher gut sehen. Seine Liegeschwielen schob ich darauf, dass er gerne auf hartem Boden lag. Die Hautentzündung an den Hoden fügt sich in diese Reihe ein.

Seine Gangbildauffälligkeiten, die auf keine der gängigen Ursachen zurückzuführen waren, waren eigentlich der größte Indikator. Auch, dass eine Schmerzmittelgabe kurzzeitig Besserung brachte, passt in das Bild. Sie verbesserte allerdings nicht nachhaltig seine motorischen Schwierigkeiten, die so „klein“ waren, dass man sie nur bei genauer Beobachtung sehen konnte.

Die Hitzeempfindlichkeit bzw. erhöhte Körpertemperatur unter Belastung findet in den Listen oben keine Erwähnung. Vermutlich spielt sie für Nicht-Arbeitshunde bzw. Nicht-Sportler auch keine Rolle. Aber ich bin mir sicher, dass Nians hysterisches Baden im Wasserbottich beim Arbeiten an den Schafen genau diese Ursache hatte: Er überhitzte sehr schnell und versuchte verzweifelt sich herunterzukühlen.

Der eintägige Durchfall bei sehr stressigen Ereignissen gehört auch zu den Symptomen seiner Erkrankung. Ich vermute, dass ich durch meine Fütterung massivere Magen-Darm-Problematiken unbewusst abgefangen habe.

Schließlich kamen final die gefährlichsten und schlimmsten Symptome: Krämpfe der kompletten Muskulatur, vermutlich auch der Atemmuskulatur in Kombination mit massiver Überhitzung. Ein lebensbedrohlicher Zustand. Nian ist dem Tod gerade noch von der Schippe gesprungen.

Leider hatte Nian in der ersten Hälfte des Jahres 2022 mit Knieproblemen zu kämpfen. Eine Entzündung machte ihm zu schaffen. Es ist das Knie, was dem Vorderbein gegenüber liegt, das damals bei dem Unfall in Mitleidenschaft gezogen wurde. Er hatte dadurch ja eine Muskelverletzung, die zwar augenscheinlich ausheilte, doch ich vermute, dass er seit dieser Zeit eine leichte Schonhaltung lief, die kaum erkennbar war und damit das Gewicht auf das rechte Hinterbein verlegte. Wie auch immer – mit Schonung, Medikamenten und Physiotherapie schien das Bein im Griff. Es dauerte zwar fast ein halbes Jahr, aber dann konnte ich ihn mit langsamer Steigerung wieder voll belasten.

Seine Blutwerte tanzten allerdings Tango. Vielleicht spielten die Medikamente eine Rolle? Oder die Futterzusätze, die ich ihm für das Knie gab? Es wurde zwischendurch richtig gefährlich für die Nieren, weil die Kalziumwerte plötzlich nach oben schossen. Das merke ich ihm leider erst an, wenn er vermehrt trinkt und dann eben auch häufiger pieseln muss. Sinkende Werte merke ich dagegen schon am Verhalten, wenn sie sich der Grenze nähern. Zum Glück bekam ich es wieder in den Griff und auch die Nierenwerte erholten sich mit einer Diät wieder.

Ende des Jahres 2022 ging es leider wieder mit den Knieproblemen los. Für kurze Zeit schlug die Schonung gut an, aber dann halfen plötzlich weder Schonung, noch Medikamente. So stellte sich bei einem MRT-Termin im Januar leider heraus, dass ein Kreuzbandriss kurz bevor stand und das Knie schon heftig mit Entzündungsreaktionen und Arthrose dagegen ankämpfte.

Anfang Februar wurde er nach dem TPLO-Verfahren (Tibial Plateau Leveling Osteotomy) operiert, obwohl mir keiner sagen konnte, ob die Knochenheilung bei einem Hund mit Parathormonmangel funktionieren würde. Aber es blieb ja keine Wahl. So konnte ich das auf keinen Fall lassen, denn er hatte sehr mit Schmerzen zu kämpfen.

6,5 Wochen nach der Operation erfolgte ein Kontrollröntgen. Es zeigte sich, dass der Knochen heilte (mir fiel da schon mal ein Stein vom Herzen!), aber doch deutlich langsamer als bei gesunden Hunden. Es erfolgte eine weitere Kontrolle nach 11,5 Wochen. Die Heilung war weiter vorangeschritten, aber noch immer nicht fertig. Insofern tat ich gut daran instinktiv den Trainingsplan, den ich von der Tierklinik mitbekommen hatte, nicht zu befolgen, sondern viel langsamer vorzugehen. Interessant ist allerdings, dass der Bedarf an Medikamenten bezüglich seines Parathormonmangels in der Phase der Heilung sank. Damit hatte ich nicht gerechnet.

Im Laufe des Jahres 2023 erfuhr ich, dass bei seinem wichtigsten Medikament zur Behandlung des Mangels die Zulassung erloschen war. Ach Du Schreck! Ich begann zu recherchieren und fand heraus, dass es bereits Verwarnungen für den Hersteller gab, weil der Wirkstoffgehalt nicht stabil war. Das war dann auch der Grund für den Entzug der Zulassung. Das bedeutete aber auch, dass sich wohl eine Erklärung für die zum Teil heftigen Schwankungen seiner Blutwerte gefunden hatte. Es lag nicht an unseren äußeren Umständen, sondern am Medikament selbst. Die Umstellung auf ein neues Medikament sollte in der Zukunft zeigen, ob ich mit der Vermutung richtig lag.

Leider sollte das Knie eine Dauerbaustelle werden. Der Knochen heilte nach vielen Wochen, aber es flammte wieder eine Entzündung im Knie auf. Die Platte wurde herausgenommen, weil sie in Verdacht war. Doch es stellte sich keine maßgebliche Verbesserung ein. So wurde noch einmal ein MRT veranlasst, in dem sich zeigte, dass der Meniskus nicht in Ordnung war. Es folgte die nächste Operation – eine Arthroskopie. Auch diese brachte nicht den erhofften Durchbruch. Er hatte mittlerweile auch keine unerhebliche Arthrose, die sicher auch dazu beiträgt, dass er nie wieder normal belastet werden kann.

Nach Einholen einer zweiten Meinung steht fest, dass keine weiter Operation mehr am Knie durchgeführt wird. Der Weg wird ab jetzt Schmerzbehandlung, natürlich weiterhin in Kombination mit Physiotherapie etc. sein. Seit Juli 2024 bekommt er Librela und ist dadurch wieder der fröhliche, lustige Hund geworden, der er im Herz immer geblieben ist. Er ist zu diesem Zeitpunkt kurz vor seinem 12. Geburtstag. Langsam wurde unter der Schmerzfreiheit die Belastung gesteigert, so dass er wieder normal an den Spaziergängen teilnehmen kann und auch kleine Jobs an den Schafen erledigen darf. Natürlich wird der Verschleiß im Knie weiter fortschreiten, aber seine Lebensqualität steht ab jetzt im Vordergrund.

Die medikamentöse Einstellung seines ionisierten Calciums lief gut bis es leider im September wieder nach unten sackte. Der Grund ist unklar.

Dieser Text wurde zuletzt am 27. Oktober 2024 aktualisiert.