Ich sitze gerade bei Dauerregen und Dauergewitter um uns herum am Schreibtisch und meine Hunde schlafen entspannt. An sich ist das nichts Außergewöhnliches. Und doch, ist es das, denn Aina schläft ebenfalls entspannt. Das hätte ich im letzten Jahr nicht zu glauben gewagt, dass wir da mal (wieder) hinkommen würden.

Zur Vorgeschichte: Aina ist hier schon immer der geräuschsensibelste Hund gewesen. Aber es war immer in einem Rahmen, dass sie mal kurz lauschte und dann wieder „ihrem Tagesgeschäft“ nachging.
Ihr Unfall vor drei Jahren veränderte dieses Verhalten innerhalb weniger Monate rasant. Das absolute Nichtstun tat dem Gehirn nicht gut. Okay, diese Tatsache ist an sich völlig logisch. Und so nahm das Ganze einen recht klassischen Verlauf: Reagierte sie zunächst nur auf Gewitter, kamen nach und nach andere ähnliche Geräusche hinzu bis sie im Herbst zum Beispiel auch bei herabfallenden Eicheln panisch reagierte. Schließlich waren wir an dem Punkt, an dem sie draußen nichts anderes mehr tat als nach herabfallenden Dingen von Bäumen, dann auch Ästchen etc. zu lauschen. Es reichte schon, dass Bäume oder leichter Wind vorhanden waren, dass ich sie nicht mehr erreichen konnte.
Leider war es mir nicht möglich sie zu diesem Zeitpunkt körperlich zu bewegen, das durfte sie wegen der Heilung noch nicht. Zusätzlicher Stressabbau über Ausdauerbewegung war also zunächst keine Option. Ich suchte also solche Orte nur noch mit engmaschigem Training auf und ging mit ihr in erster Linie innerstädtisch zum Seitenstreifenschnuppern raus. Auch da war sie immer wieder mit den Antennen auf Geräusche von außen eingestellt, aber es ging eeeetwas besser als außerhalb.
Ich versuchte das Köpfchen zusätzlich mit kniffligen Aufgaben auszulasten, aber das verweigerte sie zunehmend. Sie wurde depressiver und ängstlicher.
Nun gut, wir wurschtelten uns durch. Natürlich testete ich mich neben Training auch durch das übliche Nahrungsergänzungssortiment. Bahnbrechende Effekte durch diese blieben aus. Vielleicht hat es etwas dazu beigetragen, dass es nicht noch mehr eskalierte? Keine Ahnung. Ich hatte den Eindruck, dass das Training mehr brachte.
Irgendwann hatten wir die Zeit hinter uns, zu der sie im Grunde gar nichts durfte und es begannen schrittweise kurze Spaziergänge an der Leine. Die Angst wurde etwas besser. Schritt für Schritt arbeiteten wir uns vorwärts und ich begann nach etwa einem halben Jahr wieder mit Mantrailing. Natürlich merkte man ihr an, dass sie insgesamt wieder zufriedener wurde. Herabfallend Eicheln gab es jahreszeitenbedingt keine mehr, die Panik bei Gewitter blieb. (Silvester verbrachte ich auf der Autobahn um nicht auszutesten wie sie damit klarkommen würde.)
Ein gutes halbes Jahr später näherte sich der nächste Herbst. Aina reagierte immer noch auf herabfallende Eicheln, aber „nur noch“ ängstlich, nicht mehr panisch. Ich arbeitete weiter daran. Und sie durfte immer häufiger an die Schafe. Ich konnte zuschauen wie die Häufigkeit der Arbeit an den Schafen mit der Abnahme der Angst korrelierte, denn es gab ansonsten keine Änderung im Alltag und Umgang bzw. Training. Niemals hätte ich geglaubt, dass ich jemals wieder dahin kommen könnte, dass sie trotz Rumpeln und Scheppern entspannt bleiben würde! Ich bin mir sicher, dass die Arbeit an den Schafen – die echte, richtige Arbeit – einen maßgeblichen Teil dazu beigetragen hat.
Für mich ist diese Zeit ziemlich erkenntnisreich bezüglich der Bausteine, die man für ein erfolgreiches Vorgehen im Bezug auf ängstliche bzw. sich fürchtende Hunde benötigt. Ich hatte in der Vergangenheit schon zwei ängstliche Hunde aus dem Tierschutz, bei denen es mir nicht gut gelungen war sie aus dieser Schleife herauszuholen. Schließlich gab ich an diesen Punkten auf und erklärte auch Kunden, dass man da nichts mehr machen könne. Fängt es mit Geräuschangst an, geht die Spirale im Laufe des Hundelebens zwangsläufig nach unten.
Und jetzt, nach so vielen Jahren, muss ich sagen: Man wird alt wie eine Kuh und lernt immer noch dazu. Ich sehe das heute nicht mehr so schwarz. Ich habe die getesteten Bausteine nun auch schon an seit vielen Jahren ängstlichen bzw. sich konkret vor einem Auslöser fürchtenden Kundenhunden getestet und es konnten zum Teil deutliche Verbesserungen erzielt werden.