Barrieren erkennen – sinnvoll mit den Schafen umgehen

Als ich ein paar Arbeiten bei meiner Lämmergruppe erledigte und sie zum Äpfel fressen raus gelassen hatte, ließ ich auch meinen 13jährigen Rüden herumdaddeln. Eigentlich ist er mittlerweile eher „gemütlich“ geworden, interessiert sich eher fürs Zeitung lesen, markieren und Äpfel fressen, als für die Schafe. Daher behielt ich ihn nicht so richtig im Auge. An diesem Tag überkam es ihn aber. Er sammelte in meinem Rücken die Schafe ein und wollte sie bringen. Ich war allerdings auf der anderen Seite des Zauns. Da er schwerhörig ist, konnte ich ihm in dem Augenblick keine Kommandos geben – dafür war ich einfach zu weit weg, als dass eine Chance für ihn bestanden hätte mich zu hören. Als er bemerkte, dass er die Schafe gegen den Zaun drückte, nahm er sich zurück, sicherte die Schafe dort und wartete. Das fand ich spannend und eigentlich logisch, denn ich bringe meinen Hunden im Zuge der Ausbildung bei, dass sie sich zwar Mühe geben sollen die Schafe zu mir zu bringen, wenn das verlangt ist, aber sie sollen dabei trotzdem fair mit den Schafen bleiben. Dazu gehört es auch zu erkennen, ob ein Schaf nicht weiterläuft, weil es „einfach nur“ unwillig ist und daher mehr Druck oder eine Maßregelung benötigt oder es einen anderen, äußeren Grund oder eine Erkrankung gibt, die das Weiterlaufen verhindert. Nian erkannte die Situation korrekt und wartete mit den Schafen am Zaun. Ich fand das so interessant, dass ich das Handy zückte um es noch mal zu filmen wie er mit der Situation umging.

Und dann kam mir eine Idee: Wie gehen meine drei anderen Hunde mit der gleichen Situation um? Ich holte sie nacheinander aus dem Auto und „spielte“ ein wenig mit dem Zaun zwischen mir und den Schafen herum. Ich ließ die Hunde die Schafe kurz nachbringen und ging dann weg vom Zaun, sodass die Hunde in den Konflikt kamen, die Schafe nachbringen zu wollen, das aber wegen des Zauns nicht machbar war.

Als zweites filmte ich meine 2,5jährige Hündin Fleek, die noch in der Ausbildung steckt. Sie benötigte ein wenig Unterstützung, löste die Aufgabe aber sehr gut. Sie hat ein schönes Gefühl für Schafe, geht gerne höflich mit ihnen um, das zeigte sich auch hier. Interessant fand ich, dass sie meiner Meinung nach den Zaun recht bewusst wahrnahm und nicht nur indirekt über die Schafe. Der vorhergehende Konflikt zeigte sich allerdings als sie die Schafe am Zaun entlangtreiben sollte. Sie hätte ohne meine Korrektur wohl als Stressabbau eine kleine Attacke in die Schafe gemacht.

Als nächstes holte ich ihre 11jährige Mutter in diese Situation. Bei ihr kam ich um das Regulieren mittels Kommandos nicht herum, denn sie reagiert auf Enge immer mit Erhöhung des Drucks. Ohne Anleitung würde sie immer enger laufen und anfangen die Schafe „zu rühren“, heißt, eng weben und an den Seiten reinkommen. Dadurch würden die Schafe beginnen hektisch am Zaun hin und her zu rennen. Mit meiner Hilfe löste aber auch sie es gut.

Als letztes durfte meine 8jährige Aina die Situation lösen. Sie schob die Schafe von allen Hunden am Engsten an den Zaun. Ich dachte zunächst, sie würde sie sogar in den Zaun drücken, doch an diesem Punkt stoppte sie schließlich. Sie ließ den Schafen allerdings auch keinen Millimeter Platz. Das hätte ich bei ihr tatsächlich nicht erwartet. Ich hätte gedacht, dass sie am weitesten Weg bleibt.

Insgesamt kann ich sagen: Alle meine Hunde haben die Situation erkannt und ihr Verhalten angepasst. Mit mehr oder weniger Unterstützung. Das sind eben die individuellen Unterschiede, die ich gar nicht negativ sehe. Es sind letztendlich Stärken, die ich in der Alltagsarbeit gezielt nutze.